Verabschiedung des Schulleiters Heinz Moll

„Es gibt nichts Gutes. Außer man tut es“ – Dieses Sprichwort des bekannten Kinderbuchautoren, Ironikers und Humoristen der deutschen Sprache, Erich Kästner, passt wie kein anderes zu einem Mann, der seit 17 Jahren die Geschicke der Europaschule Langerwehe bestimmte und nun, nach insgesamt 43 Jahren im Schuldienst, seinen Abschied nahm.

Europaschule Langerwehe und Heinz Moll: Ein Erfolgsrezept!

Denn aus einer Schule, deren Schließung wegen zu geringer Anmeldezahlen der Schulträger bereits geplant hatte, verstand es Heinz Moll innerhalb weniger Jahre eine Institution zu machen, die heute die größte weiterführende Schule des Kreises Düren ist und die meisten Anmeldungen überhaupt zu verzeichnen hat — so viele, dass aus einer derzeitig 5-zügigen ohne Probleme eine 7-zügige Gesamtschule gemacht werden könnte. Oder wie es Heinz Moll auf der Abschiedsfeier der Sekundarstaufe I im Gespräch mit Schülermoderator Moritz Meisen selbst beschrieb: „Am Morgen meines Dienstantritts in Langerwehe im Mai 2001 fuhr ich von Kreuzau aus zur Schule. In Schlich sah ich zwei Schüler an einer Bushaltestelle stehen, die auf ihren Schulbus Richtung Langerwehe warteten. Gleichzeitig standen auf der anderen Straßenseite 50 Schüler, die auf den Schulbus Richtung Düren warteten. Dieses Verhältnis umzukehren, das wurde mir damals schlagartig bewusst,
würde meine Hauptsorge und Aufgabe der kommenden Jahre werden, wollte ich die Gesamtschule Langerwehe vor der Schließung retten.“

Der Gründe für die überraschende Erfolgsgeschichte der späteren Europaschule Langerwehe sind vielfältig, aber die Ausweitung der Aktivitäten im außerunterrichtlichen Bereich, die Intensivierung der internationalen Verbindungen durch Austauschprogramme und die Kolding-Konferenz (ein Zusammenschluss von Schulen aus verschiedenen europäischen Ländern, die sich alle zwei Jahre treffen, um sich über schulische, soziale und kulturelle Aspekte auszutauschen und gemeinsame Projekte zu beschließen), die verstärkte Teilnahme an Wettbewerben und Preisausschreiben, die Veranstaltung von wissenschaftlichen Vortragsreihen und Ausstellungen für Eltern, Lehrer und Schüler u.s.w. können diesen Erfolg jedoch nur zum Teil erklären. Von den Schülerinnen und Schülern der Schule wird immer wieder vor allem ein Grund angeführt, warum sie sich an ihrer Europaschule wohl fühlen: es herrsche ein Klima der menschlichen Wärme und des gegenseitigen Respekts, in dem sie sich aufgehoben und angenommen fühlten. Dieses Klima geschaffen zu haben, dafür bedankten sie sich vormittags bei ihrem Schulleiter mit einer großen Abschiedsfeier.

Verabschiedung durch die Schülerinnen und Schüler

Am Morgen waren zunächst die Oberstufenschüler mit einer eigenen Abschiedsveranstaltung an der Reihe, bevor die Sekundarstufe I nach der Frühstückspause um 11.00 den Schulleiter in die Neue Turnhalle eingeladen hatte. Dort wartete man gespannt auf die Ankunft des Direktors und begrüßte ihn, nachdem er die Halle betreten hatte, mit einem lange anhaltenden Applaus. Moritz Meisen, Schüler der Klasse 9a, der die Moderation übernahm, lud Heinz Moll aufs Podium ein, wo zwei Sessel für ein Interview vorbereitet standen. Im folgenden Gespräch erzählte Moll von seinem Werdegang: dass es in seiner Kindheit im Jülicher Land noch viel Armut und Kriegszerstörungen gegeben habe; dass er nach seiner Volksschulzeit auf das Gymnasium „Haus Overbach“ gewechselt sei, welches von Patres geleitet wurde; dass er dort neben Griechisch und Latein auch ab der 9. Klasse Französischunterricht bekommen und schließlich das Abitur abgelegt habe. Für die Schüler interessant zu erfahren war u.a., dass damals Klassenarbeiten noch unangekündigt geschrieben wurden, indem der Lehrer einfach zum Klassenschrank ging und die Hefte herausholte.

Moll berichtete weiterhin von seiner beruflichen Ausbildung als Lehramtsstudent, seine Vorliebe für Heavy-Metal-Musik, deren Platten er damals als DJ in Aachener Studentenlokalen auflegte, seine Referendarszeit am Städtischen Eschweiler Gymnasium und seine Stellen am Inda-, Wirteltor- und Rhein-Maas-Gymnasium, bevor er die Schulleiterstelle an der Gesamtschule Langerwehe antrat.

Das Gespräch wurde immer wieder durch Musikbeiträge der Schülerband „Pencil Case“ und diverse Tanzdarbietungen unterbrochen. Die Jahrgänge 5-9 bedankten sich bei ihrem Direktor mit kleineren Showeinlagen wie z.B. einer Quizshow à la „Wer wird Millionär?“, bei der Moll verschiedene Wissensfragen beantworten musste. Von jeder Jahrgangsstufe erhielt er ein besonderes Geschenk, etwa einen kleinen Apfelbaum (von denen er in seinem Garten bereits vier verschiedene Sorten gepflanzt hat) oder eine Schallplatte seiner Lieblingsband „Deep Purple“. Am Ende spielte Pencil Case deshalb noch eine ihrer Rockhymnen, während Heinz Moll verabschiedet wurde.

Festakt am Abend

Abends folgte dann der eigentliche Festakt. Nach einem von Nils Graaf virtuos gespielten Klavierstück von Camille Saint-Saëns („Der Schwan“) begrüßte die stellvertretende Schulleiterin, Regina Westermann, die Anwesenden. Ihr folgte als erster Redner der amtierende, für die Europaschule zuständige Dezernent der Bezirksregierung Köln, Christoph Becker, mit einem Grußwort, in welchem er hervorhob, dass Moll schon sehr früh den europäischen Gedanken verinnerlicht habe und die Schule erst durch ihn Mitglied der Kolding-Konferenz geworden sei, eine Verbindung, die Moll vom Rhein-Maas Gymnasium mitbrachte. Die dänische Delegation gründete die Konferenz mit ihren Partnerschulen 1994 in der gleichnamigen dänischen Stadt. Die Kolding-Konferenz initiierte den ersten Finnlandaustausch an der Europaschule Langerwehe und sorgte immer wieder für gemeinsame Projekte. Der Gedanke sich mit anderen europäischen Ländern auf Lehrer- und Schülerebene auszutauschen und auf eine andere Weise etwas zu lernen, nämlich durch persönliche Erfahrungen im anderen Land, habe Heinz Moll bewegt, die Idee der Europaschule voranzutreiben: „Hier hat ein großer Verfechter der europäischen Idee 17 Jahre lang als Schulleiter in seiner Schule Schülerinnen und Schüler in außergewöhnlicher Weise auf ein Leben in einem vereinten Europa vorbereitet. Dafür und natürlich für Ihre langjährigen treuen und zuverlässigen Dienste im Schulwesen des Landes Nordrhein-Westfalen spreche ich Ihnen im Namen der Schulministerin große Anerkennung und aufrichtigen Dank aus.“

Bürgermeister Heinrich Göbbels lobte in seiner anschließenden Ansprache die gute und partnerschaft-liche Zusammenarbeit zwischen der Gemeinde Langerwehe als Schulträger und der Schulleitung der Europaschule, auch wenn es manchmal in den vergangenen 17 Jahren kontroverse Diskussionen gegeben habe. „Sie haben die Schule zu dem gemacht, was sie heute ist und dafür [gebührt Ihnen] unser Respekt und unseren herzlichen Dank!“ Moll habe sich „für die Schule so eingesetzt wie kein Zweiter“.

Lehrerratsmitglied Imgard Felske bedankte sich in ihrem Beitrag für die gute Zusammenarbeit zwischen Schulleitung und Lehrerrat und hob ebenfalls hervor, wie sehr Moll die Schule vorangebracht habe. Man werde sich immer wieder an ihn erinnern, etwa an seine Bitte an Bewerber bei Auswahlgesprächen, doch etwas an einem konkreten Beispiel zu zeigen („wir hätten es gerne konkret“) oder an seine ritualisierten Auftritte im Lehrerzimmer, bei denen er vor wichtigen Ankündigungen mit einem kurzen Klopfzeichen seines Schlüsselbundes an einer Wasserflasche um Gehör zu bitten pflegte.

Als nächste Rednergruppe kamen Hannah Blanco-Oerder, Steffen Haugwitz, Sarah Gehlen, Carolin Krumpen und Delilah Dederichs von der Schülervertretung an die Reihe, die ihrem Schulleiter ebenfalls ihren Dank aussprechen wollten: für seine Unterstützung bei Projekten der SV; dass er sich re-gelmäßig Zeit genommen und seine Unterstützung gegeben habe; dass er ihnen auch außerhalb des Unterrichts immer mit Rat und Tat zu Seite gestanden habe; dass er ihnen den Weg für viele ver-schiedene Projekte geebnet habe, sodass es ihnen „stets möglich war, ist und in Zukunft sein werde, sich in unterschiedlichen Bereichen auszuprobieren“.

Landrat Wolfgang Spelthahn wiederum entschuldigte sich zunächst für sein verspätetes Kommen und hatte direkt zu Beginn eine frohe Botschaft für Bürgermeister Göbbels, dem er verkündete, dass man gerade eben im Kreistag eine Entlastung der Kommunen um 2,5 Mio. Euro beschlossen habe. An den Ehrengast gerichtet sprach er seine Hochachtung für die Leistung des scheidenden Schulleiters aus, deren allgemeine Anerkennung sich nicht zuletzt darin zeige, dass so viele Menschen der Einladung zur Verabschiedungsfeier gefolgt seien, dass nun buchstäblich der letzte Sitzplatz im Forum besetzt sei. Moll habe in überragender Weise das Amt des Schulleiters definiert, der Schule Gesicht verliehen, sie exzellent nach außen vertreten und vor allem: das größte Kapital des ansonsten ressourcenarmen Deutschlands, zehntausende von jungen Menschen, die Zukunft des Landes, zusammen mit dem restlichen Kollegium mit einer umfänglichen Allgemeinbildung versehen in die Gesellschaft entlassen.

Als nächstes folgte eine Showeinlage in Form eines Zaubertricks, den der ehemalige Schüler David Metternich mit Hilfe zweier Schnüre präsentierte: schienen sie das eine Mal miteinander in Verbindung zu stehen, war es das andere Mal wieder so, dass sie sich unabhängig voneinander bewegen ließen, während der Zauberkünstler diesen scheinbaren Widerspruch mit einem philosophisch-physikalischen Traktat dem staunenden Publikum zu erklären versuchte.

In ihrer daran anschließenden Festrede zeigte die zukünftige Schulleiterin, Regina Westermann, zu-nächst die Verbindung zwischen Molls Wahlspruch „sapere aude“ und seinem frühen Lebensweg zwischen Schule und Universität auf, der vom Streben nach Mündigkeit und Selbstverantwortung ge-prägt gewesen sei. Nach der Volksschule sei er zunächst auf das Gymnasium „Haus Overbach“ gewechselt, wo er den Altsprachlichen Zweig wählte. „Nach dem bestandenen Abitur beginnt er noch im selben Jahr das Studium der Fächer Deutsch und Geschichte an der RWTH Aachen, das er 1976 abschließt, jedoch nur, um ein weiteres Fach, das der katholischen Theologie, zu studieren. Hier macht er 1981 sein Examen. Doch auch dies reicht ihm nicht: 1987/88 kommt noch das Fach Latein und die diesbzgl. Lehrbefähigung hinzu, die er in Köln erwirbt. Seine erste Stelle ist das Städt. Inda-Gymnasium in Kornelimünster (1975-1977). 1978 wechselt er zu einem verkürzten Referendariat ans Städt. Quirinus-Gymnasium nach Neuß, um anschließend für sieben Jahre als Studienrat ans Städt. Gymnasium Eschweiler zu gehen. Am Gymnasium am Wirteltor in Düren wird Moll schließlich 1989 zum Studiendirektor ernannt und wird in den 90er Jahren auch Fachleiter am Studienseminar Aachen. 1995 wechselt er vom Wirteltor- zum Rhein-Maas-Gymnasium in Aachen und wird 2001 Schulleiter an der Gesamtschule Langerwehe, die 2011 unter seiner Leitung und nicht zuletzt dank seines Einsatzes für die durch ihn mitinitiierten Kolding-Konferenz zur Europaschule avanciert. Dass du dich mit all deiner Kraft und deiner Lebenszeit für diese Schule so engagiert hast, hat sie zu dem gemacht, was sie heute ist“, so Westermann.

Ein enger Freund Molls, der ehemalige Schulleiter der Gesamtschule Niederzier/Merzenich, Hermann-Josef Gerhards, durfte im An-
schluss an Westermanns Laudatio einige Anekdoten, vor allem aus ihrer gemeinsam verbrachten Studentenzeit erzählen: So etwa die Geschichte eines Umzugs in eine neue Studentenwohnung, bei der er einen großen Röhrenfernseher mehrere Stockwerke nach oben
geschleppt habe, jedoch nur um im Nachhinein erfahren zu müssen, dass dieser eigentlich entsorgt werden sollte.

Als sodann der Moment der Urkundenübergabe gekommen war, standen sogar zwei Dezernenten dem sichtlich gerührten Empfänger gegenüber: nicht nur der amtierende Dezernent Christoph Becker, sondern auch der ehemalige Dezernent Bernward Gilles, der Moll damals die Ernennung zum Schul-leiter ausgesprochen hatte, bedankten sich für Molls Engagement und seine Lebensleistung als Direk-
tor der Europaschule Langerwehe.

Abschiedsrede

Heinz Moll erläuterte in seiner Abschiedsrede zunächst deren Aufbau, der an Mozarts Klaviersonate Nr 11, Köchelverzeichnis 331 angelehnt sei: Andante grazioso, Menuetto und schließlich Alla Turca. Das seit Bestehen der Schule geltende Motto „Es gibt nicht Gutes. Außer man tut es“ sei für ihn immer Programm und Verpflichtung zugleich gewesen —aktiv zu werden für Kinder, die einen
Platz in der heutigen Gesellschaft suchten und finden sollen. Moll beklagte ein Auseinanderfallen von bildungspo-litischer Rhetorik und bildungspraktischer Wirklichkeit: „Die Forderungen der modernen Marktwirtschaft, der Marktgesellschaft nach internationalem Wettbewerb, nach umfassender intellektueller Kompetenz und Digitalisierung zielen vor allem auf die kommerzielle Verwendbarkeit des Menschen“, so Moll. Der Sinnspruch Kästners habe aber etwas zu tun mit Charakter, Urteilsfähigkeit, Persönlichkeit und geistiger Reife als Determinanten eines aufgeklärten europäischen Bildungsbegriffs. Im weiteren Verlauf seiner Rede betonte Moll die Wichtigkeit der Gestaltung der Schule als Lebens- und Ent-faltungsraum, in der Integration, Inklusion und Differenzierung eine hervorgehobene Rolle spielen müssten, um Kindern und Jugendlichen Zeit zur Entwicklung und Reifung zu geben. Schließlich plädierte der Schulleiter für eine kritisch-reflexive und zeitgemäße Neubestimmung des Bildungsbegriffes, der nicht mehr Allgemein- und Spezialwissen sowie Kompetenzen und Bildung voneinander trenne. Heinz Moll dankte allen, die die Feier mit Musik und den phantastischen Reden vorbereitet hätten, vor allem aber Regina Westermann, welche „mit leichter Hand, aber klar und konsequent Regie geführt“ habe und bezog sich auf eine Stelle aus Platons Ideenlehre („Denken was wahr, fühlen was schön und wollen was gut ist“), als er zum Abschluss offenbarte, er habe viel Wahres, Schönes und Gutes an der Europaschule erfahren. Dafür wolle er sich bei allen ganz herzlich bedanken.

Das Publikum bedankte sich bei ihrem Schulleiter Heinz Moll ebenso: mit lange anhaltenden, stehenden Ovationen!

Bilder vom Abschied